Z Orthop Unfall 2011; 149(4): 384-388
DOI: 10.1055/s-0030-1271100
Evidenzbasierte Medizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der EbM-Kommentar auf dem DKOU: Hintergründe, Ziele und Vision

The EbM Commentary at the Annual Meeting of the German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU): Background, Aims and VisionL. Dubs1 , S. Kirschner2 , E. Neugebauer3 , J. Hassenpflug4
  • 1Praxis, Facharzt Orthopädische Chirurgie, Winterthur, Schweiz
  • 2Orthopädische Klinik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
  • 3Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Fakultät für Gesundheit, Campus Köln-Merheim, Köln
  • 4Klinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Kiel
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Publication Date:
17 May 2011 (online)

Zusammenfassung

Das kritische Hinterfragen der klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit, um verzerrte Auffassungen von Wirksamkeit, Nutzen und Risiken aufzudecken, ist nicht nur ein ethisches Primat, sondern auch dringendes Gebot der heutigen Zeit, in der Innovationen in der Medizin häufig nur noch zu marginalen Verbesserungen des Patientennutzens führen. Zur besseren Beurteilung der Wertigkeit von erzielten Studienergebnissen wurde nach dem Vorbild der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie erstmals auch beim DKOU-Jahreskongress 2007 das pragmatische Evaluationskonzept der „EbM-Kommentare“ in die Präsentationskultur des Kongresses eingeführt. Der EbM-Kommentar ist eine sorgfältig vorbereitete, kritische Würdigung durch einen methodisch in evidenzbasierter Medizin geschulten Kollegen im Anschluss an eine Präsentation auf dem Kongress. Er besteht aus 3 Komponenten und beginnt mit einer systematischen Analyse nach dem SPION-Prinzip: Welcher Studientyp wurde gewählt? Welche Personen oder Patienten wurden wann in die Studie eingeschlossen? Welche Interventionen wurden vergleichend geprüft? Welche Outcomevariablen wurden wann an letztlich wie viel Patienten untersucht? Welchen Nutzen kann man aus der Studie für die eigene Praxis ableiten und wie groß ist der Nutzen für den Patienten? Auf die Beschreibung, die Berechnung und die Bewertung des eigentlichen Patientennutzens wird besonderer Wert gelegt. Anschließend folgen eine Beurteilung der Stärken und Schwächen sowie eine hierarchische Einschätzung der Studie bezüglich deren Konsequenzen auf den klinischen Alltag. Im besten Fall können stark überzeugende Studienresultate direkt zu einer Änderung der weiteren praktischen Tätigkeit führen, im schlechtesten Fall wird man mit einer „so what“-Studie konfrontiert, deren methodische Mängel ganz offensichtlich zu einer klaffenden Diskrepanz zwischen Studienanlage und Aussage geführt haben. Dem Publikum bietet der EbM-Kommentar eine Hilfestellung bei der Frage, ob die Studie eher dem „Weizen“ oder der „Spreu“ zuzuordnen ist. Speziell ausgebildete EbM-Kommentatoren erhalten 4 Wochen vor dem Kongress den vollständigen durch die Kongressorganisatoren ausgewählten Vortrag zwecks sorgfältiger Vorbereitung ihres Kommentars. Unter dem Leitsatz „stark in der Sache, angenehm in der Art“ versucht der Kommentator, einerseits vorgetäuschten Nutzen aufzudecken oder Verzerrungen zu relativieren, anderseits die durch den Vortragenden nicht erkannten Aussagemöglichkeiten der Studie zu fördern. Die besten Arbeiten werden am DKOU jährlich mit dem EbM-Preis nach Juryentscheid ausgezeichnet. Die Erfahrungen aus den bisherigen Bemühungen haben erfreulicherweise gezeigt, dass die Autoren sich vermehrt einer moderateren Tonlage und einer vorsichtigeren Aussage ihrer Forschungsergebnisse befleißigen, gelegentlich sogar eine selbstkritische Formulierung von vorneweg in ihre Präsentation einbauen. Das pragmatische und praktikable Format hat sehr schnell eine gute Akzeptanz auch auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie gefunden.

Abstract

The critical appraisal of clinical and scientific work to assure the effectiveness and to balance the risks of treatment are mandatory today. Recent innovations in medicine often lead only to minor improvement in patient benefit. For the better understanding of the presented study results, the EbM commentary was introduced in 2007 at the Annual Meeting of the German Society of Orthopaedics and Traumatology. The EbM commentary was developed within the Swiss Orthopaedic Society and is a vital part of the Annual Meetings. The EbM commentary is a carefully prepared critical appraisal of an orally presented study by a specially trained colleague. The commentary consists of three components and begins with a systematic analysis following the SPION principle. What kind of study was carried out? Which patients were enrolled in the investigation? What kind of interventions were compared? How was the outcome measured? What is the benefit of the study for my own practice and what is the benefit for the patient? The reporting and the evaluation of the patient benefit is of great interest. In the second step the strengths and weaknesses of the study were discussed and the study will be rated for their evidence. For the best case the presented study implies direct changes in the usual treatment of patients. In the worst case no changes are necessary and the study is rated “so what” because of methodological weaknesses making the drawn conclusions invalid. For the audience the EbM commentary may support their rating of the quality of the presented study. The congress team selects interesting presentations for the EbM commentary. The EbM commentators receive the oral presentation and in most cases additional information from the selected studies four weeks in advance of the meeting. The EbM commentary is focused on a precise analysis of the presented data in an open and pleasant discussion. The aim of the EbM commentary is to clearly point out the patient benefit and to disclose the biases and weaknesses. The best studies of the DKOU were awarded following the suggestion of the EbM jury. The experiences have shown some methodological improvement of the presentations. The pragmatic style of the EbM commentary has led to good acceptance at the Annual Meeting of the German Society of Orthopaedics and Traumatology.

Literatur

  • 1 Dubs L. [Der Patient als Experte – Einführung in die Evidenz basierte Orthopädie].  Z Orthop Ihre Grenzgeb. 2000;  138 289-294
  • 2 Dubs L. Teure Medizin ist schlechte Medizin.  Schweiz Ärztezeitung. 2007;  88 1638-1640
  • 3 World Health Organisation (WHO) .International Classification of Impairments, Disabilities and Handycaps. Berlin, Wiesbaden: Ullstein Mosby; 1995
  • 4 Feinstein A R. Clinimetrics. New Haven: Yale University Press; 1987
  • 5 Lorenz W, Troidl H, Solomkin J S et al. Second step: testing-outcome measurements.  World J Surg. 1999;  23 768-780
  • 6 FDA & U.S. Department of Health and Human Services .Guidance for Industry. Patient-reported outcome measures: Use in medical product development to support labelling claims (19. 1. 2006). Im Internet: http://www%20fda%20gov/CDER/GUIDANCE/5460dft Stand: 2006
  • 7 Koller M, Neugebauer E A, Augustin M et al. [Die Erfassung von Lebensqualität in der Versorgungsforschung – konzeptuelle, methodische und strukturelle Voraussetzungen].  Gesundheitswesen. 2009;  71 864-872
  • 8 Dubs L. Der EBM Kommentar. In: Dubs L, Hrsg. Orthopädie an der Schwelle. Bern: Hans Huber; 2000: 27-30

Dr. Luzi Dubs

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